Inhaltssuche

Suchen Sie z.B. nach Artikeln, Beiträgen usw.

Personen- und Kontaktsuche

Regierungspräsident Mark Weinmeister: Gott hält mich

Mark Weinmeister muss nicht lange nachdenken, wenn er nach den drei wichtigsten Botschaften des Christentums gefragt wird. „Zum einen ist es die Gewissheit der Selbstbestimmtheit“, sagt der Kasseler Regierungspräsident. „Gott hat uns mit unterschiedlichen Möglichkeiten ausgestattet und so können wir unser Leben vielfältig gestalten.“ Die Richtung sei nicht vorgegeben, sondern jeder sei für sich selbst verantwortlich. Aber Gott sage auch: „Ich halte dich, wenn du mich brauchst. Ich bin da.“ Die zweite Botschaft sei die Nächstenliebe. „Wir sind in einer Gemeinschaft und sollten versuchen, so gut wie möglich mit allen auszukommen.“ Die wunderbare Botschaft Jesu Christi sei, dass man „versuchen soll, die Liebe, die man in sich hat, weiterzugeben.“ Eine weitere Botschaft sei für den studierten Lehrer für Deutsch, Geschichte, Pädagogik und Politik die Tatsache, dass er fehlbar sein darf. „Mein Gott erwartet nicht, dass ich immer und überall unfehlbar bin.“ Diese Fehlbarkeit sei quasi im Menschen schon eingepreist. „Aber ich kann trotzdem darauf vertrauen, dass ich deswegen nicht fallengelassen werde.“

Kerstin Leitschuh beim Feierabendgespräch mit Mark Weinmeister
Kerstin Leitschuh beim Feierabendgespräch mit Mark Weinmeister

Als Jugendlicher Kirchenjunge

Weinmeister kommt aus einer kirchlich geprägten Familie. „Meine Mutter war lange Kirchenvorsteherin, mein Vater und meine Mutter haben über 50 Jahre im Kirchenchor gesungen. Kirche gehörte zu unserem Alltag selbstverständlich dazu.“ Im Jahr vor der Konfirmation wurde Weinmeister vom Pfarrer gefragt, ob er das Amt des Kirchenjungen übernehmen kann. Das war eine Art Küsterdienst. „Zu meinen Aufgaben gehörte es, vor jedem Gottesdienst die Lieder anzuschlagen, die großen Glocken zu läuten, wenn das Vaterunser gesprochen wurde, die kleine Glocke zu läuten, den Pfarrgarten zu pflegen und so weiter.“ Weinmeisters Verbindung zur Kirche sei immer sehr eng gewesen. 2008 wurde er auch Mitglied der Synode des damaligen Kirchenkreises. „Das habe ich gerne gemacht“, erinnert sich Weinmeister. Nach der Zusammenlegung von drei Kirchenkreisen ist er heute noch stellvertretendes Mitglied.

Kerstin Leitschuh beim Feierabengespräch
Kerstin Leitschuh beim Feierabengespräch

Von Haus aus ein Optimist

Der Regierungspräsident ist „von Haus aus ein Optimist“. Ja, es gebe viele Herausforderungen und Entscheidungen, die getroffen werden müssen. „Aber ich habe bisher nie das Gefühl gehabt, dass die Dinge nicht lösbar sind.“ Es gebe manchmal großen Druck, schwerste Anstrengungen, wenig Zeit, Dinge richtig zu durchdenken. „Aber im Großen und Ganzen glaube ich, dass wir uns als Gesellschaft immer weiterentwickelt haben. Ich habe in meinem Leben immer erlebt: Selbst wenn eine Tür irgendwo mal zugeht, geht woanders eine auf.“

Es gebe viele Momente, in denen es in seinem Leben nicht immer so lief, wie er es sich vorgestellt habe. Beispielsweise wäre er im Jahr 2009 gerne Landtagsabgeordneter geblieben. „Ich war es mit Leib und Seele!“ Das hat nicht geklappt. „Da war ich schon ziemlich enttäuscht“, gibt Weinmeister zu. Er wurde dann Staatssekretär im Umweltministerium. „Heute bin ich sehr froh darüber, dass es so kam. Ich bekam noch mal ganz andere Möglichkeiten, aktiv zu sein und Entscheidungen voranzubringen. Ich glaube: es gibt keine Sackgassen, nur andere Wege.“

Kompromissbereitschaft ist ein wesentliches Prinzip der Demokratie

Wir müssten uns bewusst machen, dass die Demokratie als Gesellschaftsform nichts ist, was sich nie wieder ändern könne. „Als 1989 die Mauer aufgegangen ist und 1990 der Eiserne Vorhang wegfiel, hatte ich schon so ein bisschen die Hoffnung, dass das, was jetzt dort stattfindet, nach und nach auf der gesamten Welt passieren wird.“ Weinmeister hoffte, dass sich überall demokratische Systeme durchsetzen werden. Jetzt merke man, dass es eher wieder zurück geht, dass es gar nicht mehr so sicher sei, dass das immer so demokratisch weitergehe. Es gebe derzeit zu viele Staaten in der Welt, die sich von einem demokratischen Grundprinzip abwenden. „Das macht mir Sorgen“, sagt der Regierungspräsident klar. Für das demokratische Prinzip müsse man kämpfen und einstehen. „Man muss sich klar zu demokratischen Werten bekennen.“ Ein Grundpfeiler einer demokratischen Entscheidung sei der Kompromiss. „Ich versuche möglichst viele Leute mitzunehmen, wohl wissend, dass ich keinen zu 100 Prozent zufrieden stellen kann. Aber es gibt eine große Zahl an Menschen die sagt: Hätte ich mir anders vorgestellt, aber damit kann ich leben.“ 

Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Citypastoral, Kassel Marketing und der GALERIA

Text: Kerstin Leitschuh

Fotos: Marcus Leitschuh

Mark Weinmeister beim Feierabendgespräch der Citypastoral Kassel
Mark Weinmeister beim Feierabendgespräch der Citypastoral Kassel

Immer dann, wenn er nicht mehr so richtig weiter weiß oder die richtigen Gedanken findet, versuche der Regierungspräsident ins Gebet zu gehen. Gott ist für ihn derjenige, der ihn hält und ihm Kraft gibt: „Er ist für mich da, wenn ich Unterstützung brauche, wenn ich im Gebet mit ihm Zwiesprache halte. Wenn ich mal wirklich das Gefühl habe, jetzt weiß ich gar nicht mehr weiter, gibt er mir auch die Gewissheit, dass ich mich ihm anvertrauen kann und das, was kommt, wird auch in seinem Sinne sein.“ Er nehme auch immer wieder die Bibel zur Hand: „Um zu schauen, wie die Evangelisten oder das Alte Testament damit umgegangen sind.“ Das helfe nicht immer, aber es gebe Orientierung, sagt er. Besonders beeinflusst und fasziniert habe ihn diese Bibelstelle: „Jesus Christus spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“

Regierungspräsident Mark Weinmeister beim Feierabendgespräch der Citypastoral
Regierungspräsident Mark Weinmeister beim Feierabendgespräch der Citypastoral

Kirchen im Spagat zwischen sozialer Verantwortung und Spiritualität

Gerade im ländlichen Bereich des Regierungsbezirkes sieht Weinmeister noch eine sehr hohe gesellschaftliche Stellung der Kirchen. „In vielen Bereichen sind die Kirchen das Kontinuum innerhalb der Dörfer. Schulen oder Ärzte sind weg. Es gibt sonst keine Einrichtungen mehr, die Orientierung und Werte vermitteln.“ Er merke immer wieder, dass dafür die christlichen Kirchen noch sehr wichtig seien. „Ich weiß, dass das im städtischen Bereich schon wieder schwieriger ist“, gibt er zu. „Da gibt es andere Strukturen.“ Trotzdem sehe er auch mit Sorge, dass die Bindung an die Kirchen zurückgeht. Das sei eine Tendenz in der Gesellschaft: Immer weniger Menschen binden sich an Institutionen, immer mehr Menschen seien projektorientiert unterwegs. Damit müsse auch Kirche umgehen können.

Die Kirchen nehmen nach wie vor viele Aufgaben in der Gesellschaft wahr. „Ihr Grundauftrag ist die Seelsorge, d.h. sich der Sorgen und Nöte der Menschen annehmen.“ Daraus sei eine große soziale Verantwortung entstanden. „Kirchen betreiben Kindergärten, wo es sonst teilweise keine geben würde. Sie betreiben Schulen oder Pflegestationen.“ All das seien wichtige Pfeiler in der Gesellschaft. „Ich glaube, dass viele Menschen manchmal das Gefühl haben, dass die Seelsorge aufgrund der vielen anderen Aufgaben ein wenig untergeht.“ Vielleicht möchten einige Menschen mehr religiöse und spirituelle Nahrung haben als ihnen geboten wird. Das sei ein Spagat, den die Kirchen leisten müssen.

Mark Weinmeister und Kerstin Leitschuh im Feierabendgespräch
Mark Weinmeister und Kerstin Leitschuh im Feierabendgespräch

Gemeinschaftsgefühl macht glücklich

Viele Menschen, die ein verbindendes Element haben, machen Weinmeister glücklich: Sei es ein Konzert, eine Feier, Fußball oder andere Dinge. „Wenn ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, alle zusammen gehören und das Gleiche im Sinn haben: Das finde ich ziemlich gut.“ Weinmeister sei ein sehr geselliger Mensch. Die Pandemiezeit sei für ihn schwierig gewesen. Er sei es gewohnt immer unterwegs zu sein. „Ich mache das gerne. Gerade dann, wenn ich Menschen treffe, die ich noch nicht kannte.“ Weinmeister liebe den direkten Kontakt mit Menschen. „Ich finde es wunderbar, wenn sie mir etwas von sich erzählen, wenn ich dadurch Neues lerne und andere Perspektiven entdecke.“

Dieses Verständnis des Kompromisses verlieren wir gerade. Jeder setze seine Meinung als absolut und sei nicht bereit, auf den anderen zuzugehen. „Deswegen ist mein Appell an alle: Seien Sie überall und immer kompromissbereit - bei Ihren Nachbarn, in Ihrer Familie, in Ihrem Betrieb.“ Es gehe darum, am Ende eine Lösung zu finden, mit der sich mindestens die meisten einigermaßen anfreunden können. Es gehe nicht darum, die eigene Position zu 100 Prozent durchzusetzen. Weinmeister: „Man hat nicht verloren, wenn es nur 90, 80 oder 70 Prozent sind, die man durchgesetzt hat.“

Einen magischen Gegenstand nach Wunsch

Wenn der Regierungspräsident einen magischen Gegenstand besitzen dürfte, so wäre das eine Kugel: „Wenn ich diese reibe, dann versöhnen sich zwei Menschen, die im Streit liegen. Sie gehen aufeinander zu und gehen – wie man hier so schön sagt – zusammen ein Bier trinken.“ Er wünscht der Welt Frieden. Friede sei die Grundlage für alles und dafür, dass sich die Menschen selber entfalten und entwickeln können. Dieser Friede fehle in so vielen Gebieten der Welt. „Und ich wünsche mir, dass wir mit den Ressourcen dieser Erde, die uns von Gott anvertraut worden ist, sorgsamer umgehen.“