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Feierabendgespräch mit Christian Geselle
Feierabendgespräch mit Christian Geselle

Warum der OB „Glückauf und Gottes Segen“ wünscht

Oberbürgermeister Christian Geselle war Gast beim vorerst letzten Feierabendgespräch mit Kerstin Leitschuh, Referentin der Citypastoral in Kassel.

Mehr Sein als Schein

Christian Geselle kommt aus einer Arbeiterfamilie. „Ich bin der erste, der Abitur machen durfte und dem Aufstieg durch Bildung ermöglicht wurde“, berichtet er. Sein Großvater habe immer gesagt, dass „mehr Sein als Schein“ wichtig sei. Man solle solide Arbeit leisten und nicht in Prahlerei verfallen. „Diese Einstellungen versuche ich auch meinen Kindern zu vermitteln.“ Das Christentum hat in seinem Elternhaus eine große Rolle gespielt. Sein Vater wie sein Großvater waren Lektoren und im Kirchenvorstand der evangelischen Kirche. Geselle: „Christliche Werte sind mir in die Wiege gelegt worden. Diese gebe ich auch an meine Kinder weiter.“ Und er möchte die Grundwerte der Verfassung und der Demokratie, die Liebe zur Familie sowie den Wert des Zusammenhaltens seinen Kinder vermitteln.

Kerstin Leitschuh, Referentin für Citypastoral in Kassel
Kerstin Leitschuh, Referentin für Citypastoral in Kassel

Glückauf und Gottes Segen

„Ich glaube an Gott“, bekennt der Oberbürgermeister. „Er ist für mich ein Wesen, das in allem steckt.“ Er sei für ihn etwas Übernatürliches, das in bestimmten Situationen des Lebens auch da sei. Geselle ist evangelisch und seine Familie hat eine traditionelle Verbindung zur evangelischen Kirchengemeinde Niederzwehren. Seine Frau wie auch seine Familie mütterlicherseits sind katholisch. „Wir sind also eine ganz ökumenische Familie.“

Grußworte beendet der Obermeister häufig mit Glückauf und Gottes Segen: „Gottes Segen ist eine wichtige Beigabe, ein Wunsch, dass bei allen Schwierigkeiten Gott der Begleiter sein möge“, erklärt Christian Geselle. Glückauf sei ihm als Bergmannsspruch nahe. „Passt auf euch auf, Gott ist mit euch auf all euren Wegen. Das ist mein Wunsch an die Menschen, für die ich Oberbürgermeister sein darf.“

Der „Rat der Religionen“ berät die Stadt wie den Oberbürgermeister. Geselle: „Er hat eine wichtige Rolle bei der Frage, wie wir den Zusammenhalt auch jenseits der Religionen und Konfessionen leben können – auch in schwierigen Situationen.“ Der Rat der Religionen sei ein Gremium, das Orientierung gebe und Debatten gut begleite. „Die Kirchen können für Menschen in persönlich schwierigen Lebensphasen Halt und Orientierung geben,“ betont Geselle. Für den Zusammenhalt der Gesellschaft seien sie – wie ebenso Vereine – sehr wichtig: „Aktive Kirchengemeinden, die sich um unterschiedliche Belange des Lebens kümmern, sind ein wesentlicher Bestandteil einer starken, sich miteinander wohlfühlenden Gesellschaft.“

v.l. Yayi Zhou, Yue Che, Christian Geselle, Kerstin Leitschuh
v.l. Yayi Zhou, Yue Che, Christian Geselle, Kerstin Leitschuh

Von der Fulda in den Wald

In stressigen Zeiten im Beruf gebe ihm die Familie Kraft: „Wenn ich abends um 22 Uhr nach Hause komme, unsere Tochter noch wach ist, sagt ‚Papa, ich freue mich total Dich zu sehen‘ und gibt mir noch einen Gute-Nacht-Kuss - das ist schon eine Kraftquelle!“ Seine Kinder bekommen die Krisen wie Corona und anderes mit. Der Oberbürgermeister: „Wenn von ihnen ein aufmunternder Spruch kommt, dann ist das für mich auch Motivation, weiter zu machen.“ Ein weiterer Kraftort ist der Wald. Dort gehe er spazieren oder jogge. Außerdem habe er vor vier Jahren mit dem Stand-Up-Paddling begonnen und gleite gerne über die Fulda. „Auf der Fulda und im Wald fühle ich mich lebendig.“

Oberbürgermeister Christian Geselle
Oberbürgermeister Christian Geselle

Mit Blick auf die neu installierte Citypastoral wünscht sich Oberbürgermeister Geselle, dass der Dialog weitergeführt werde, ähnliche Formate gefunden werden, um sich für die Menschen dieser Stadt zu engagieren und die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten sowie voranzutreiben.

Yue Che und Yayi Zhou von der Musikakademie der Stadt Kassel „Louis Spohr“ begleiteten das Feierabendgespräch mit ihren Querflöten.
Die Feierabendgespräche fanden in Kooperation mit Kassel Marketing statt.

Nach einer Sommerpause im August werden sie ab September monatlich weitergeführt.

Fotos: ml

Oberbürgermeister Christian Geselle
Oberbürgermeister Christian Geselle

Großvater, Knödel-Oma und Holger Börner

Fragt man Christian Geselle nach seinen Vorbildern, nennt er seinen Großvater väterlicherseits und die „Knödel-Oma“ mütterlicherseits. Diese zwei Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten haben ihm viel bedeutet. Und natürlich darf bei einem Politiker ein politisches Vorbild nicht fehlen: Holger Börner. „Ich durfte ihn vor seinem Tod intensiv kennenlernen“, erinnert sich Geselle. Gerade die Bodenständigkeit des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten beeindruckten ihn. „Ich war damals Mitte 20 und wurde immer wieder zu ihm zum Kaffee eingeladen. Aus unseren Gesprächen habe ich viel mitgenommen.“ Zusätzlich gebe es noch einen väterlichen Freund, der ihn seit über 25 Jahre begleite und der ihm wichtig sei.

C. Geselle & K. Leitschuh
C. Geselle & K. Leitschuh

Demokratie, Engagement und Zusammenhalt

Auch wenn es manchmal schwierig sei, engagiere sich der Oberbürgermeister leidenschaftlich gerne politisch. Geselle ist sich sicher: „Demokratie ist die beste Staatsform, die es gibt.“ Gerne zitiert er sein politisches Vorbild Holger Börner: „Wer keine Politik selber macht, mit dem wird sie gemacht.“ Das heiße für ihn, dass „wenn ich mich nicht selber engagiere, mich für die Gesellschaft einsetze, diskutiere, konstruktiv streite, dann bestimmen andere mein Leben.“ Wenn sich die meisten nicht mehr engagieren möchten, bestimmen wenige andere und dann bekämen wir einen Zustand, den wir nie wieder wollen.

Christian Geselle glaube, dass eine Gesellschaft im Jahr 2022 ein stärkeres Gefühl des Zusammenhalts brauche, um zukunftsfähig zu sein. Er wünsche sich Ehrlichkeit in Diskussionen. Nicht alles lasse sich im Twitter-Stil und mit Schlagzeilen lösen. „Unsere Medien- und Kommunikationswelt ist meinungsstark aber faktenschwach. Es wird viel geurteilt und Meinungen vorangetrieben aber wenig auf tatsächliche Vorgänge und Fakten geschaut.“ Man müsse sich stattdessen mehr Zeit nehmen, zuhören und hinhören, um zu verstehen. Geselle: „Am Ende gilt es, gemeinsam einen Kompromiss zu finden. Das sind die wesentlichen Voraussetzungen unserer Gesellschaft.“

Yue Che & Yayi Zhou
Yue Che & Yayi Zhou

Von der Polizei auf den OB-Sessel

Geselle hat als Jugendlicher sehr viel Leitathletik gemacht und Fußball gespielt. Die Übungsleiter im Sportverein waren Polizisten. „Als junger und heranwachsender Mensch habe ich viel mit ihnen diskutiert. Das hat mich geprägt.“ Außerdem wollte er seinen Beitrag zur Sicherheit und Ordnung leisten und dem Staat dienen. Er begann die Ausbildung bei der Polizei. Nach dem Einsatz bei der Bereitschaftspolizei mit Begleitung von Castortransporten und Großeinsätzen bei Fußballspielen hat der heutige Oberbürgermeister Streifendienst in den Innenstadtrevieren in Frankfurt geleistet: „Das ist schon ein bisschen anders als bei uns. Ich habe das Leben in ganz unterschiedlichen Facetten gesehen.“ Geselle habe auf der Straße etwas gelernt, was man auf keiner Hochschule lerne. „Ich habe Sachen erfahren und gelernt, die ich auch als Oberbürgermeister gut gebrauchen kann: Ich habe bittere Schicksale gesehen, heftige Situationen zwischen Leben und Tod sowie Bedrohungssituationen erlebt. Aber da war auch viel Freude und emphatischen Umgang mit Menschen.“

Ein Einsatz auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität mit erfolgten Festnahmen und einer Gerichtsverhandlung setzten bei ihm den Impuls Jura zu studieren. Er wollte genauer wissen, wie Staat und Gemeinwesen funktionieren. „Es ist nicht nur die Suche nach Gerechtigkeit, sondern auch der Anspruch, Lösungen für Probleme im rechtlichen Miteinander zu finden. Dem habe ich bisher mein berufliches Leben gewidmet“, resümiert Geselle.