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Wir machen Kultur, um Menschen zusammenzubringen und gesellschaftliche Gräben zu schließen

David Zabel ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Kulturbeirates der Stadt Kassel und vertritt dort die Sparte Soziokultur. Er ist freier Kulturschaffender, arbeitet als Moderator in den Bereichen Kultur, Politik und Soziales, ist Soziologe, war Mitbegründer der „Streetbolzer“ und engagiert sich in unterschiedlichen Bildungsprojekten. Er sprach beim Feierabendgespräch mit Kerstin Leitschuh (Citypastoral Kassel) über das Streetbolzen, die Verantwortung von Kultur und den Gott des Wandels.

„Ich mag es, Kultur, Soziales und Sport zusammenzubringen“, sagt der Vater eines Sohnes von sich. Kulturschaffender zu sein bedeutet für ihn, „kulturellen Mehrwert in der Gesellschaft zu erzeugen“. Er setze sich für das Aufweichen des Kulturbegriffs ein. „Ich glaube, der enge Kulturbegriff hilft uns bei den soziokulturellen Herausforderungen nicht weiter“, sagt er. „Auch bei den Gräben, die wir gesellschaftlich schließen sollten, sollte ein soziokulturelle Selbstverständnis in allen Branchen Heimat finden.“

Die Biblische Geschichte vom Säemann

Zabel vergleicht seine Arbeit und sein Engagement, ein bisschen mit der Parabel des Säemanns in der Bibel: Einige Impulse landen auf unfruchtbarem Boden, andere werden von den Vögeln gefressen und wieder andere werden von den Dornen am Wachsen gehindert. Aber ein kleiner Teil trifft auf fruchtbaren Boden und geht auf und bringt viel Frucht. Darauf habe er großes Vertrauen und das lasse ihn gut seinen Weg gehen.

Am Christentum fasziniert den Soziologen der Aufruf zur Nächsten- und Feindesliebe. Zabels Vater stammt aus Sambia und ist katholisch. Seine Mutter ist ostdeutsch und hat keinen Glauben. Die Familie seiner Frau ist muslimisch. „Ich bin ein Mediator zwischen den Kulturen“, erzählt Zabel. Aus der Parabel des Säemanns und den Blick für das Wachsen entstehe sein Gottesbild. Für ihn sei Gott ein Gott des Wandels, alles sei immer in Veränderung, nichts stehe still. „Ich möchte einen positiven Teil zu diesem nicht enden wollenden Wandel leisten. Vielleicht treffe ich so Gott.“

Aber auch auf Bolzplätzen sei noch viel zu tun, so müssten Mädchen stärker eingebunden werden und die Größeren müssten auf die Kleinen mehr zugehen. In seiner Arbeit an Grundschulen versucht Zabel genau das zu vermitteln: „Ich möchte, dass die Viertklässler Vorbilder für die Erst- und Zweitklässler sind und mit gutem Beispiel vorangehen.“ Die soziale Gruppe, die einen Raum dominiert, müsse ihn für andere öffnen, so Zabels Anspruch. „Dann ist auch der gesellschaftliche Mehrwert sichtbar.“

Ein gemeinsames Ziel

Gemeinschaftssinn und der Mannschaftsgedanke seien wichtige Werte. „Gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, ist ein wichtiger Grundwert“, sagt Zabel. Im Gegensatz dazu seien die weltbekannten Topfußballer die individualisierten Ideen von Fußball. Das liege v.a. an der Kommerzialisierung. „Ein Trikot lässt sich eben leichter verkaufen, wenn es mit einem Gesucht verbunden ist, das cool ist.“ Dabei habe jedes Tor eine Geschichte, die erzählt werden müsse. Und alle Spieler, die seit Ballgewinn von der Verteidigung den Ball gespielt hatten, seien Teil dieses Tores und dieser Geschichte.

Vom Straßenfußball lernen können

Das Projekt des „Streetbolzer e.V.“ kennenzulernen war für den „Afro-Ostdeutschen“, wie er sich selbst bezeichnet, „eine Antwort auf eine existenzielle Frage“. Als Kind war er auf dem Bolzplatz zuhause. „Diesem Sozialraum Bolzplatz habe ich sehr viel zu verdanken“, erinnert er sich. Mit dem Engagement für die Streetbolzer konnte er dem Bolzplatz dankbar etwas zurückgeben. „Und ich konnte mit etwas, das ich liebe – dem Fußball – etwas bekämpfen, das ich hasse: Rassismus“, beschreibt er seine Motivation.

Der Bolzplatz sei ein wichtiger Lernort, davon ist der Fußballliebhaber überzeugt. „Fußball ist eine Kontaktsportart und Fußball ist ein Mannschaftssport“. In blauen Knien, einem Foul oder einem schmerzenden Knöchel seien für Kinder viele Lektionen enthalten. Um diesen Mannschaftssport zu promoten sei der Straßenfußball viel besser geeignete als der institutionalisierte Fußball, sagt Zabel. „Neben dem Leistungsgedanken, der beim Vereinsfußball im Vordergrund steht, ist der Kommerzialisierungsgedanke entscheidend geworden.“ Der Fußball entferne sich immer mehr von den Menschen, die ihn aber in den letzten 150 Jahren groß gemacht haben. „Der Straßenfußball ist ein Gegenentwurf. Er hat den Mehrwert der Lerninhalte, die Fußball bieten kann.“


Kultur hat soziale Verantwortung

Zabel ist davon überzeugt, dass jegliche Kulturform, auch „die etablierten Kulturformen“ eine soziale Verantwortung haben. Kultur wie auch der Sport haben sozialen Wandel voranzutreiben: „Wir müssen gegen Ausgrenzung Kultur machen. Wir machen Kultur, um Menschen zusammenzubringen und gesellschaftliche Gräben zu schließen. Wir brauchen Kultur als sozialen Kit.“ Deswegen solle Soziokultur ein Selbstverständnis in allen Sparten sein. Die Frage, was man mit seiner Kultur in der Gesellschaft bewegen möchte, solle über allem stehen.

Um die unterschiedlichen Kulturformen und Menschen, die sich darin bewegen, immer wieder zusammenzubringen, rät er neue Wege zu gehen. „Ich glaube ein erster Schritt ist, sich seiner Bildungsprivilegien bewusst zu werden.“ Kultur könne – wie Fußball auch – soziale Begegnungsräume schaffen.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Citypastoral, Kassel Marketing und der GALERIA. Kerstin Leitschuh redet mit interessanten Personen aus Gesellschaft, Kultur oder Politik über Werte und Welt, Hoffnungen und Haltungen, Glück und Gott.

Text: Kerstin Leitschuh
Fotos: Marcus Leitschuh