Der Biologe und promovierte Landschaftsplaner Norbert Wett ist Dezernent für Bürgerangelegenheiten, Soziales, Digitalisierung und Tourismus. Davor war der Stadtrat mehrere Jahre Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Kassel und als Unternehmensberater in der IT-Branche tätig. Beim 26. Feierabendgespräch der Citypastoral sprach er über sein Christsein, wo er Gott überall findet und über die Unterschiede von Fritzlar und Kassel.
Als Christ ansprechbar für die Schwachen
Norbert Wett engagiert sich schon seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Politik. „Ich denke, dass ich etwas Positives für die Menschen in unserer Stadt und in unserem Land beitragen kann“, erklärt er. „Wir müssen dafür sorgen, dass alle ihr Leben in einem freiheitlichen Rahmen leben können. Das geht nicht von alleine“, gibt er zu bedenken. Er selber sei ein sehr positiver Mensch. „Gerade für die Menschen da zu sein ist als Sozialdezernent eine schöne Sache.“ Es sei ihm wichtig, auch persönlich ansprechbar zu bleiben, nahbar und bei den Menschen zu sein. Deswegen hospitierte er vor einigen Tagen bei der Flüchtlingsberatung der Caritas. Schon zweimal war er mit den Streetworkern der Drogenhilfe auf der Straße unterwegs. „Ich gehe überall dort hin, wo ich Menschen erleben kann.“ Er versuche mit ihnen ins Gespräch zu kommen, wie beispielsweise auch beim Abend der Wohnungslosen. „Auch für die Schwachen ansprechbar zu sein ist mir wichtig, gerade als Christ“, betont Wett.
In der Sozialpolitik sei man unmittelbar bei den Menschen und kann auch etwas bewegen. „Ich glaube, dass in dem Bereich auch Defizite sind.“ Natürlich helfe viel Geld viel gegen Armut. Andererseits können die unterstützten Menschen nicht mehr unabhängig leben. „Ich möchte nicht, dass immer mehr Menschen in diesem System abhängig, unselbständig und unglücklich leben.“
Er fühle stark mit den Schicksalen der Menschen, die ihm in seiner Arbeit begegnen, mit. Gleichzeitig suche er auch immer sofort nach Lösungen. Aber oft gebe es gerade keine Lösung und das müsse er dann auch aushalten und akzeptieren. Er erinnert sich an eine Begegnung mit einem Mann aus dem Irak, der seit acht Jahren hier lebe und noch kaum Deutsch spreche. „Ich habe versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen, zu verstehen, was da los ist. Ich frage mich, wie sieht die Welt für ihn aus? Wie schaut er aus seinen Augen auf die Welt?“
Sozialpolitik heißt, dass der Staat für Menschen, die gerade oder noch nicht für sich selber sorgen können, da ist. „Es ist unser soziales Verständnis, dass man Menschen helfen muss, die in Notlagen sind“. Wett betont gleichzeitig: „Das christliche Verständnis sagt auch, ich bin selber verantwortlich für mich.“ Wenn es möglich ist, sollte der Mensch die Verantwortung für sich auch wieder wahrnehmen. Beispielsweise unterstützen unterschiedliche Projekte Menschen dabei, wieder in Arbeit und in den entsprechenden Rhythmus zu kommen. Dabei den einzelnen im Blick zu behalten, mit ihm zu sprechen, die Entwicklung zu begleiten, das sei wichtig, so der Sozialdezernent.
Die Schicksale der Menschen nehme er im Kopf und im Herz mit nach Hause. „Das muss ich dann auch meiner Frau erzählen.“ Vieles vergesse er nicht. Oft komme es auch zu neuen Begegnungen mit den gleichen Personen, dann geht es weiter.
Gegen die manchmal geballten schlechten Nachrichten in dieser Welt habe er seine eigene Strategie: „Ruhig bleiben“, sagt er gelassen. „Ich habe da so eine kleine Abschottung. Das eine ist die Welt da draußen und das andere ist meine Welt.“ Eine gewisse Distanz tue gut. Und man solle auch sich selber etwas Gutes tun. Unterschiedliche Veranstaltungen im Jahresverlauf, wie z.B. auch der Winterzauber oder der Weihnachtsmarkt laden ein, den Alltag zu vergessen. „Mir hilft auch das Fahrradfahren!“ Das tue er jeden Tag zur Arbeit hin und zurück und am Wochenende auf längeren Touren. Am liebsten fahre er in die Natur um diese dann mit allen Sinnen zu erleben. „Das ist dann die Ablenkung, die mich wirklich ganz abschalten lässt!“
Zur Bedeutung des Christentums
Das Christentum sei die Grundlage, auf dem alles fußt. Das habe er als Kind und Jugendlicher so mitbekommen. „Die Nächstenliebe ist alles, was zählt“, sagt er. Wett erinnert daran, dass das Alte Testament durch Christus, seine Nächstenliebe und sein Opfer für uns alle ersetzt worden. „Das ist Leitlinie und das ist für mich Christsein.“
Und wo ist Gott?
„Gott ist allgegenwärtig, überall und in allem zu finden“, lautet Wetts schnelle Antwort. Als Naturwissenschaftler sehe er Gott immer, wenn er tiefer gehe, wenn er neue Erkenntnisse habe oder auch wenn sich in der Forschung neue Dinge ergeben. „Man sieht überall, wie komplex und wie wahnsinnig toll diese Welt gemacht ist. Wie hat das jemand geschaffen? Das kann nur einer wie Gott sein.“ Auch wenn man hinauf ins Weltall blicke und sich vorstelle, was es dort an Galaxien gebe. Das sei alles nur bestaunenswert und für ihn Zeugnis, was Gott gemacht habe.
Von katholischen und evangelischen Apotheken
Wett ist in Fritzlar aufgewachsen und in einen katholischen Kindergarten gegangen. „Das war wirklich ein Hort des Friedens. Ich bin da in Liebe und Frieden aufgewachsen“, erinnert er sich. Gerne denke er an die Innenstadt, die miit dem schönen Fachwerk eine gemütliche Atmosphäre habe. „Das war ein schönes Aufwachsen!“ Es sei auch sehr von der Kirche beeinflusst gewesen, was ihm erst später aufgegangen sei. Amüsiert erzählt er, dass es am Marktplatz jeweils rechts und links eine Apotheke und einen Fleischer gab. „Das war konfessionell bestimmt: der eine war der katholische und der andere der evangelische. Wir sind immer zu den katholischen gegangen.“
Nach dem Abitur wollte Wett in die große weite Welt. Die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze setze zum Biologiestudium nach Kassel. „Da habe ich mich erstmal geärgert, weil ich lieber nach München, Hamburg oder Berlin wollte.“ Aber ein Wechsel an einen anderen Studienort nach dem Vordiplom war aufgrund eines fehlenden Tauschpartners einer anderen Uni nicht möglich. „Also bin ich in Kassel geblieben und weiß heute wie schön es hier ist.“, sagt der Dezernent für Tourismus. Kassel habe sich in den letzten Jahrzehnten sehr gut entwickelt. „Ich fühle mich hier pudelwohl.“
Glück kann man nicht messen
Als Zuständiger für Tourismus freut er sich natürlich, dass laut einer Studie aktuell die glücklichsten Menschen in Kassel leben, auch wenn er nicht so recht weiß, wie dies zustande kommt. „Wie will man das messen“, fragt er. Was ihn glücklich macht, weiß er ganz genau: „Natürlich an erster Stelle meine Familie“, sagt er ohne zu überlegen. Auch wenn sein Sohn inzwischen ausgezogen ist und ein Duales Studium absolviert. Als Vater ist er froh, dass er seinen Weg gefunden hat. Aber auch seine eigenen neuen Aufgaben als Dezernent machen ihn glücklich. „Die Aufgaben bleiben so vielfältig, wie sie sich am ersten Tag abgezeichnet haben“, stellt er fest.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Citypastoral, Kassel Marketing und der GALERIA. Kerstin Leitschuh redet mit interessanten Personen aus Gesellschaft, Kultur oder Politik über Werte und Welt, Hoffnungen und Haltungen, Glück und Gott.
Text: Kerstin
Leitschuh
Fotos: Constanze Wüstefeld