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Designierter Oberbürgermeister Schoeller über Gott als eine personenunabhängige Kraft, die ihn bestärkt

Im März wurde Dr. Sven Schoeller zum künftigen Oberbürgermeister der Stadt Kassel gewählt. Jetzt war der Fachanwalt für Straf-, Urheber- und Medienrecht Gast beim Feierabendgespräch der Citypastoral. Seinen Konfirmationsspruch kennt der Anwalt noch auswendig „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“

Aufgewachsen im Pfarrhaus

Dr. Sven Schoeller wuchs in einem Pfarrhaus im Werra-Meißner-Kreis auf. „Damals hatte das Dorf 200 bis 250 Einwohner“, erinnert sich Schoeller. Sein Vater war dort Gemeindepfarrer. „Leider ist er sehr früh verstorben“, bedauert er und ergänzt: „Auch ein älterer Bruder starb früh. In dieser persönlich schwierigen Situation erlebte ich das, was ich mit Glauben und Christentum verbinde, in der Dorfgemeinschaft.“ Schoellers Mutter hat nach dem Tod des Vaters studiert und er war als kleiner Junge im Dorf unterwegs. „Ich saß gefühlt jeden Tag an irgendeinem anderen Mittagstisch. Das funktionierte in dieser Gemeinschaft sehr gut.“ Schoeller sagt sogar: „Ich habe trotz dieser schweren Zeit sehr, sehr positive Erfahrungen für mein restliches Leben mitgenommen.“

Fürchte Dich nicht, Du kannst das Leben meistern

Obwohl er im Pfarrhaus aufwuchs, bezeichnet sich Schöller nicht als „frommen Menschen“. „Aber ich habe schon diese Werte mitgenommen und ich habe vor allem das Thema Dankbarkeit mitgenommen.“ Er habe sich oft in seinem Leben gefragt, was ihn in seiner Werteeinstellung von jemandem unterscheidet, der sich Humanist nennt. „Da gibt es schon einen Unterschied und der zeigt sich beim Thema Dankbarkeit. Bei ganz vielen Dingen im Leben erwische ich mich dabei, dass ich mich bedanke: Beispielsweise, dass ich eine Familie habe, dass meine Kinder gesund sind. Dann frage ich mich: Bei wem bedankst Du Dich eigentlich? Irgendwie muss es ja irgendetwas geben, bei dem ich mich bedanke. Das ist für mich der Beweis, dass ich einen spirituellen Zugang zu Gott habe.“ Er erfahre diese von Personen unabhängige Kraft als sehr hilfreich und bestärkend in seinem Leben. „Das gibt mir das mit, was für mich mit das Bedeutendste ist, was die christliche Kirche mitgeben kann: Fürchte Dich nicht, Du kannst das Leben meistern, da steht etwas an Deiner Seite. Das hilft mir ungemein weiter!“

Als Anwalt steht Schoeller auch denjenigen bei, die gerade einen Rechtsbeistand brauchen. Für ihn besteht Gerechtigkeit nicht nur aus Gesetzen und Normen, die die Gesellschaft sich gibt „Gerechtigkeit ist noch viel mehr“, sagt der Anwalt. „Bei sozialer Gerechtigkeit geht es nicht allein um das Einhalten von Gesetzen. Es geht auch darum zu klären, ob die Ressourcen, die wir in unserer Welt haben, tatsächlich gerecht verteilt sind. Gibt ist eine gerechte Teilhabe der Menschen?“ Schoeller ist es wichtig, dass individuell geschaut wird, welche Menschen welche Teilhabeansprüche haben und wie diese zu erfüllen sind. Es gebe Verbindlichkeiten, die durch gesellschaftliche Normen und auch durch Gesetze begründet werden. Gerechtigkeit sei das zu erfüllen, was das Gesetz verlange. „Sozialstaatlichkeit begründet Ansprüche“, bekräftigt Schoeller. „Damit wird er der Würde der Menschen besonders gerecht.“ Es besteht ein Anspruch auf ein Existenzminimum und man ist nicht auf Wohltätigkeit angewiesen. „Wir sollten zusehen, dass unsere Gesellschaft keine Gesellschaft der Wohltätigkeit wird, sondern eine Gesellschaft ist, die die Würde der Menschen durch Ansprüche absichert.“

Die Welt im Jahr 2023

Aktuell sei die Welt aufgrund der Veränderungen auf dem gesamten Erdball in Aufregung. „Vor allem sind das die Veränderungen durch den Klimawandel“, sagt der künftige Oberbürgermeister. „Das ist gerade bei der jüngeren Generation mit vielen Zukunftsängsten verbunden.“ Auch gehen damit Konflikte der jüngeren mit der älteren Generation einher. „Weitere Sorgen sind die sozialen Auswirkungen, wenn es tatsächlich dazu kommt, dass immer weniger Fläche auf unserem Erdball bewohnbar ist.“ Ihm mache Hoffnung, dass es Menschen gibt, die sich engagieren, die in ihrem eigenen Umfeld einen Beitrag leisten, um auf dieser Erde weiter überleben zu können. „Das Engagement der Menschen an allen Ecken und Enden macht mir Hoffnung!“

Es musizierte Oleksandr Perlovskyi von der Musikakademie der Stadt Kassel Louis Spohr.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Citypastoral, Kassel Marketing und der GALERIA.

Text: Kerstin Leitschuh
Fotos: Andreas Weber & Marcus Leitschuh

Die Zeit im Pfarrhaus habe ihn geprägt, sagt der künftige Oberbürgermeister. „Ich glaube, ich habe gelernt, mit sehr vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Egal woher der Mensch kommt und welchen Hintergrund er hat.“ Seine Mutter wurde dann auch Pfarrerin und er erinnert sich, dass hin und wieder Obdachlose am Pfarrhaus klingelten. „Meine Schwester und ich hatten die Richtlinie: Kein Geld geben, aber ein Butterbrot schmieren und Kaffee kochen.“ Das machten sie und kamen dann auch ins Gespräch. „Das war etwas, was ich nicht vergessen werde und was ich als Erfahrung nicht missen möchte.“ Er wurde mit dem Leid anderer konfrontiert und sah, dass es auch etwas anderes auf der Welt gibt. Schoeller merkte, dass es ihn auch persönlich erfüllt, wenn er sich Menschen zuwendet und selbst im kleinen Rahmen jemandem etwas Gutes tun kann.

Kirchen als Institutionen, die sehr viel bewirken

Den Kirchen schreibt Sven Schoeller eine ganz bedeutende, aber auch gewandelte Rolle in der Gesellschaft zu: „Für mich sind die Kirchen immer noch Institutionen, die unglaublich viel bewirken, die vielen Menschen viel bedeuten, Sinn und Spiritualität vermitteln.“ Sie bewirken aber vor allem im sozialen Bereich viel: von Kindertagesstätten, Seniorenheim und Veranstaltungen bis hin zu der Betreuung von obdachlosen Menschen. Er ist sich sicher, dass viel fehlen würde, wenn es das Engagement der Kirchen in diesem Bereich nicht gebe.

Die christlichen Werte sind für Schoeller vor allem in einem Gemeinsinn zu finden: „Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Menschen unterstützen, Zuwendung zu denjenigen, die diese Unterstützung brauchen und Hinwendung zu den Schwachen. Die Starken können von selbst überleben.“

An der Seite der Menschen stehen, die den Gegenwind im Augenblick deutlich im Gesicht verspüren: So sieht der Anwalt seine berufliche Tätigkeit. Das seien Menschen, mit denen sich gerade niemand gemein machen möchte, weil sie im Verdacht stehen, auch schwere Vergehen und Verbrechen begangen zu haben. „In dieser Situation sind die Menschen erstmal allein. Es ist eine Gewährleistung von Gerechtigkeit im Sinne von Rechtsstaatlichkeit, dass auch solche Menschen eine Unterstützung im Sinne von professioneller Beratung und Vertretung bekommen.“ Das werde im Strafrecht besonders deutlich. Er werde oft gefragt, wie er das mit der Moral vereinbaren kann, so schlimmen Menschen zur Seite zu stehen. „Dann sage ich, dass man das im übergeordneten Sinne der Rechtsstaatlichkeit sehen muss. Ein Rechtsstaat zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es Anwältinnen und Anwälte gibt, die unabhängig die Rechte von Betroffenen und von Beschuldigten vertreten.“

Bewegung und Familie als Kraftquelle

Um aufzutanken, bewegt sich Schoeller gerne. „Beim Joggen im Bergpark, auf dem Tennisplatz, auf dem Fahrrad.“ Und er verbringe gerne Zeit mit seiner Familie. „Bewegung und Zeit mit der Familie sind in der letzten Zeit weniger geworden.“ Das sei aber auch abgesprochen mit seiner Familie. „Ich ziehe sehr viel Kraft daraus, dass wir uns immer wieder gemeinsam zum Abendessen treffen und dann die Themen, die in unser aller Leben angefallen sind, ansprechen.“ Da werden dann auch schon mal politische Themen diskutiert. „Aber das ist sicherlich nicht das Hauptthema. Es geht auch um einfache Dinge, wie: es müsste mal wieder die Küche sauber gemacht werden.“

Sven Schoeller ist gewählt, aber die Amtsübernahme folgt erst noch. „Es ist eine spannende Zeit, aber vor allem eine arbeitsreiche Zeit.“ Er hat gerade zwei Dinge zu tun: sein Amt vorzubereiten und sein altes Berufsleben abzuwickeln. “Da gibt es natürlich zahlreiche strukturelle Überlegungen, und ich treffe mich mit ganz vielen Menschen. Ich bin in der Stadt unterwegs und das gefällt mir auch gut.“